Sehen die Bedingungen eines Lebensversicherungs-Vertrages vor, dass im Fall des Todes des Versicherten die Versicherungssumme an den Inhaber des Versicherungsscheins ausgezahlt wird, so muss der Versicherer nur unter bestimmten Umständen dessen Legitimation überprüfen. Dies gilt nach einem kürzlich veröffentlichten Urteil des Landgerichts Dortmund dann, wenn die Auszahlung ganz offenkundig zu Unrecht verlangt wird (Az.: 2 O 469/08).

Der Kläger ist Sohn und einer der Erben seiner im Oktober 2007 verstorbenen Mutter. Diese hatte bei dem beklagten Versicherungs-Unternehmen eine Lebensversicherung abgeschlossen, die bis zu ihrem Tode fortbestand.

Als Bezugsberechtigten hatte die Frau ursprünglich ihren Sohn genannt. Doch wenige Wochen vor ihrem Tod teilte die Versicherte dem Versicherer schriftlich mit, dass das Bezugsrecht zu Gunsten ihrer Tochter geändert werden sollte.

Nachdem die Versicherungsnehmerin gestorben war, legte die Tochter dem Versicherer eine Sterbeurkunde sowie den Versicherungsschein vor. Sie bat gleichzeitig darum, ihr die Versicherungssumme zu überweisen. Diesem Ansinnen kam der Versicherer kurz darauf nach.

Behauptete Fälschung

Doch wenig später meldete sich der ursprünglich begünstigte Sohn bei dem Versicherer und verlangte ebenfalls die Auszahlung der Versicherungssumme. Er behauptete, dass das Schreiben zur Änderung des Bezugsrechts nicht von seiner verstorbenen Mutter, sondern von seiner Schwester stamme und auch von dieser unterzeichnet worden sei.

Seine Mutter sei zum Zeitpunkt der Verfügung bereits 91 Jahre alt und bei sehr schlechter Gesundheit gewesen. Sie habe sich bis unmittelbar vor der Bezugsrechtsänderung in stationärer Behandlung befunden und so gut wie nichts mehr sehen können. Das Schreiben an den Versicherer könne folglich unmöglich von ihr stammen.

Ohne im Einzelnen auf die Einwände des Sohnes der Verstorbenen einzugehen, berief sich der Versicherer darauf, dass die dem Vertrag zugrunde liegenden Bedingungen eine sogenannte Inhaberklausel enthielten. Danach durfte das Unternehmen den Inhaber des Versicherungsscheins als verfügungs- und empfangsberechtigt ansehen.

Da der Versicherungsschein von der obendrein ganz offenkundig begünstigten Schwester des Klägers vorgelegt wurde, gab es nach Meinung des Versicherers keinen Grund, die Versicherungssumme nicht an diese auszuzahlen.

Entscheidend ist der Original-Versicherungsschein

Dem schlossen sich die Richter der zweiten Zivilkammer des Dortmunder Landgerichts an. Sie wiesen die Klage des sich übervorteilt fühlenden Sohnes als unbegründet zurück.

Nach der Beweisaufnahme zeigte sich das Gericht davon überzeugt, dass dem Versicherer von der Tochter der Verstorbenen zusammen mit der Sterbeurkunde der Original-Versicherungsschein vorgelegt wurde. Er durfte die Versicherungssumme daher an die Tochter auszahlen.

Durch die Auszahlung der Summe an die Inhaberin des Original-Versicherungsscheins ist die Beklagte von einer weiteren Leistungspflicht befreit worden. Dabei kommt nicht es darauf an, ob nun die Tochter oder der Sohn der Verstorbenen einen Anspruch auf die Versicherungsleistung hat, so das Gericht.

Kein Anlass zum Argwohn

Nach Meinung der Richter hatte der Versicherer auch keine Veranlassung, an der Richtigkeit der Änderung des Bezugsrechts zu zweifeln. Die Unterschrift unter dem Schreiben wich zwar deutlich von dem Schriftbild der Unterschrift bei Antragstellung ab. Das musste den Versicherer jedoch nicht misstrauisch werden lassen, da zwischen der Antragsstellung und der Bezugsrechtsänderung Jahrzehnte lagen und sich in so einem Zeitraum ein Schriftbild gravierend verändern kann.

Auch sonst bestand für den Versicherer kein Anlass zum Argwohn. Das Gericht hält es nämlich für nichts Ungewöhnliches, dass ein Versicherter in hohem Alter das Bezugsrecht eines Lebensversicherungs-Vertrages ändert und eine Übertragung auf einen anderen Nachkommen vornimmt.

Dem Versicherer lagen auch keine Hinweise darauf vor, dass die Versicherte infolge Krankheit nicht mehr dazu in der Lage war, wirksame Verfügungen vorzunehmen. Er musste daher trotz ihres Alters auch nicht ansatzweise vermuten, dass sie nicht mehr geschäftsfähig war.

Auch eine rasche zeitliche Abfolge zwischen einer Bezugsrechtsänderung und dem Tod eines Versicherten hat einen Versicherer nicht dazu zu veranlassen, im Hinblick auf eine ihm vorgelegte Verfügung argwöhnisch zu sein. Nach all dem hat der Versicherer nicht gegen das Gebot von Treu und Glauben verstoßen. Die Klage des Sohnes blieb daher erfolglos.

 

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